Der Fall des 11-jährigen Mädchens, das sich in Berlin nach Mobbing-Vorfällen das Leben genommen hat, geht seit zwei Wochen durch sämtliche Medien. Und er macht mich auf verschiedene Arten betroffen: Natürlich bin ich traurig und fassungslos. Wie weit muss es kommen, dass ein 11-jähriges Mädchen, das ihr ganzes Leben noch vor sich hat, keinen anderen Ausweg mehr sieht? Gerade mal 11 Jahre alt. Das ganze Leben noch vor sich.

Andererseits macht mich der Fall durch meine persönliche Nähe nachdenklich: Die Grundschule befindet sich in meiner direkten Nachbarschaft – es handelt sich um eine der zwei Grundschulen in unserem Einzugsgebiet und somit eine der Grundschulen, an die unsere Kleine in zwei Jahren gehen sollte. Eines zeigt der Fall ganz deutlich: Viele  Lehrer und Schulen im Allgemeinen sind nicht vertraut genug mit Mobbing, Handlungsmöglichkeiten und Prävention. Und da nehme ich mich gar nicht aus. Es  muss sich etwas tun. Deshalb gibt es heute einen Beitrag darüber, was man als Lehrer tun kann – präventiv und bei akuten Vorfällen.

Ein Hinweis sei mir noch erlaubt: Daniela von nenalisi.de hat in den sozialen Medien und auf ihrem Blog dazu aufgerufen, gemeinsam gegen Mobbing einzustehen. Dem Aufruf folge ich hiermit gerne und möchte auch alle Leser auffordern, über das Thema zu schreiben, darüber zu sprechen, darauf aufmerksam zu machen. Es muss sich etwas ändern. #gemeinsamgegenmobbing

Mobbing: Was man als Lehrer tun kann

In der Auseinandersetzung mit dem Thema Mobbing bin ich über eine recht aktuelle Studie der Universität Potsdam gestolpert. Da die Studienergebnisse aus dem Jahr 2017 besondere Relevanz für das Thema Mobbing und insbesondere in Bezug auf unsere Rolle als Lehrkräfte besitzen, ziehe ich diese an mehreren Stellen heran. Hier gehts zur  Studie, deren Ergebnisse öffentlich zur Verfügung stehen.

Was ist „Mobbing“?

Unter Mobbing bezeichnet man im Allgemeinen jegliche Art von andauernder Gewalt, die gegen Personen ausgeübt wird. Um welche Art von Gewalt es sich handelt, kann sehr unterschiedlich aussehen: ob physisch (wobei man da eher von „Bullying“ spricht) oder verbal – ob Schikane, Ausgrenzung oder Rufschädigung, all das gehört dazu. Die Zielsetzung ist dabei stets die soziale Ausgrenzung. Traurig ist, dass viele Lehrer verbale Gewalt und soziale Ausgrenzung seltener als Gewalt erkennen und dadurch seltener tätig werden. Am häufigsten werden Lehrer bei Cybermobbing aktiv. Da Cybermobbing aufgrund der digitalen Möglichkeiten immer häufiger auftritt, ist es einerseits eine gute Sache, dass aktiv dagegen vorgegangen wird. Andererseits zeigt es, dass Lehrer noch besser über „Gewalt“ und die verschiedenen Ausprägungen aufgeklärt werden müssen.

Woran ein Mobbing-Opfer erkannt werden kann

Wir sollten als Lehrkräfte ohnehin achtsam mit unseren Schülern umgehen. Aber wir wissen alle, dass uns das im Alltag mal besser und mal weniger gut gelingt. Sobald sich das Verhalten eines Schülers verändert, sollte uns das aufhorchen lassen. Darunter fallen z.B. unerwartet schlechtere Leistungen, eine Außenseiterposition oder Absonderung von der Klasse, Traurigkeit oder ein Zurückziehen. Auch häufiges Fehlen durch (vorgetäuschte?) Krankheiten können auf ein Mobbing-Problem hinweisen.

Das A&O: Die Schüler-Lehrer-Beziehung

Ich setze seit jeher auf eine gute Schüler-Lehrer-Beziehung, da sie mir einfach wichtig ist. Diese basiert auf gegenseitigem Respekt, einem vertrauensvollen Umgang und dem Wissen, sich gegenseitig ernst zu nehmen. Das ist natürlich nichts, was man von heute auf morgen erreichen kann: Die Beziehung muss sich erst in diese Richtung entwickeln. Vertrauen fliegt einem nicht zu, sondern muss durch Taten gewonnen werden. Die Schüler müssen sich sicher sein, im Lehrer einen Gesprächspartner zu haben, der stets ein offenes Ohr hat, zuhört und ernst nimmt, was man ihm sagt.

Das ist natürlich eine gute Basis, um rechtzeitig über Mobbing-Vorfälle informiert zu werden. Denn wenn sich die Schüler sicher sind, beim Lehrer auf ein offenes Ohr zu treffen und sich vertrauensvoll an ihn wenden zu können, ist das die halbe Miete. Überleg dir mal: 30% der Mobbingvorfälle werden Lehrern nicht bekannt, das heißt nur 7 von 10 Mobbing-Vorfällen werden überhaupt wahrgenommen. Das sind drei Fälle zu viel.

Wichtig: Aktives Handeln!

Auch wenn Lehrer über Mobbingvorfälle informiert werden, werden 30% der Lehrer nicht aktiv und nehmen höchstens beobachtende Funktionen wahr. Die Potsdamer Studie legt nahe, dass ein Handeln des Lehrers wichtig ist – eigentlich ist es auch klar. Als am effektivsten und nachhaltigsten haben sich unterstützend-kooperierende Maßnahmen herausgestellt. Zu  unterstützend-kooperierenden Maßnahmen gehören z. B. Kooperationen mit Kollegen – es werden also alle mit ins Boot geholt. Auch Maßnahmen, die die gesamte Klasse betreffen und für Mobbing, Mittäterschaft und Gewalt sensibilisieren zählen dazu.

Am wenigsten effektiv sind im Allgemeinen Gespräche, die lediglich Opfer und Täter einbeziehen. Das hat mich überrascht – ich persönlich dachte, Opfer von Mobbingvorfällen wollen häufig lieber nicht im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen und das Thema nicht in der Klasse aufgegriffen wissen. Dass aber gerade das Einbeziehen der gesamten Klasse in die Mobbing-Thematik Perspektivenwechsel ermöglicht, am nachhaltigsten wirkt und die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass innerhalb der Klasse Unterstützer in Erscheinung treten, war mir neu. Gleichzeitig sollen präventive Maßnahmen mit der gesamten Klasse, besser prinzipiell in der Schule, eingeführt werden.

Es gibt diverse Konzepte, um bei akuten Mobbing-Fällen zu intervenieren. Weit verbreitet ist beispielsweise der SMOB-Fragebogen, um die Klassenatmosphäre auf Mobbing oder Ansätze dazu zu überprüfen. Die ausführliche Version von Horst Kasper ist eher aufwändig durchzuführen und auszuwerten, kann aber Aufschluss über die Aktivitäten in der Klasse geben, die man als Lehrkraft sonst eher nicht erfährt. Mittlerweile existieren zahlreiche verkürzte Versionen, die weniger aufwändig eingesetzt werden können.

Nachhaltigkeit durch Prävention

Ziel aller Bemühungen sollte stets sein, dass Mobbing erst gar keine Chance hat. Das ist in den meisten Fällen nur dann möglich, wenn die Schule eine stetige Anti-Mobbing-Arbeit im Schulbetrieb verankert. Wie genau das erfolgt, kann sehr unterschiedlich sein. Als Beispiele seien hier das Fairplayer. Manual-Programm der Freien Universität Berlin oder auch regelmäßige (!) Projekttage zur stetigen Sensibilisierung mit eigenen Themen-Schwerpunkten genannt. Welche Möglichkeiten, Projekte oder Institutionen es in deinem Bundesland oder Region gibt, ist regional sehr unterschiedlich.

Das Verankern im Schulkonzept ist eine Sache, eine weitere die konsequente Fortbildung und Sensibilisierung der Lehrkräfte. Wie im Beitrag bereits verdeutlicht wurde, zeigt sich in Studien, dass es da noch Nachholbedarf gibt. Insbesondere muss darauf bestanden werden, dass man als Informierter bei Bekanntwerden eines Falls aktiv werden muss. Irgendetwas tun ist immer noch besser als gar nichts tun. Schweigen, Ignorieren oder Herunterspielen des Geschehenen sind das Schlimmste, was man tun kann. So stärkt man die Täter in ihrer Rolle und riskiert, dass das Opfer einen selbst nicht mehr ins Vertrauen zieht.

Ein wichtiger Aspekt ist weiterhin, dass in Gruppen mit einem guten Klima und gutem Zusammenhalt kein Platz für Mobbing ist. Aus diesem Grund sollten Klassenlehrer ausreichend Zeit in das Finden gemeinsamer Regeln stecken. Gleichzeitig muss der Gruppe klar sein, dass Verstöße nicht akzeptiert werden. Teambildende Maßnahmen stärken nicht nur soziale Kompetenzen im Allgemeinen, sie können auch Teil einer Mobbing-Prävention sein.

Weiterführendes Material

Das Landesinstitut für Schule und Medien Berlin-Brandenburg hat die „Berlin-Brandenburger Anti-Mobbing-Fibel“ veröffentlicht, die zahlreiche Informationen zu Mobbing und zur Intervention im akuten Fall gibt.

Auf dem Biber-Blog gibt es eine gelungene Unterrichtseinheit zur Mobbing-Prävention: Der Hase wird gemobbt: Ein Film zur Mobbing-Prävention . Die Schüler nehmen anhand von Rollenkarten einzelne Rollen des Films ein und müssen das Verhalten dieser Rolle interpretieren, Gefühle erkennen und diese in Form eines Gruppen-Puzzles thematisieren.

Die App „Stop the Mob“ begleitet den Spieler 5 Tage lang durch den Schulalltag eines Mitschülers. Er trifft in verschiedenen Situationen Entscheidungen, die sich positiv oder negativ auf den Mitschüler auswirken. Am Ende erfährt der Schüler, wie sein eigenes Verhalten den Zustand des Mitschülers beeinflusst hat. Hier geht’s zur App und hier zur Projekt-Website.

Hast du bereits Erfahrungen mit Mobbingvorfällen machen müssen? Oder kannst du Empfehlungen für Material oder Vorgehensweisen aussprechen? Ich freue mich auf einen Kommentar.

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