Familienbande über Alles? Nein, danke!

Heute ist Muttertag. Vielleicht genau der richtige Tag, um euch einen kleinen Einblick in mein Leben zu geben. Ich finde es immer wundervoll, wenn ich lese, dass die Familie so eng miteinander ist, die Mutter die beste Freundin und man sich Alles verzeihen muss, weil es ja Familie ist. Ach ne, Stop. Streichen wir den letzten Part: Dass man sich Alles verzeihen sollte, weil man ja Familie ist, finde ich furchtbar. Nur, weil man Familie ist, darf man sich nicht mehr erlauben als bei anderen Menschen. Vielleicht sogar weniger, denn die Familie als Konstrukt sollte besonders schützenswert sein. Ich gebe euch also heute einen kleinen Einblick und sage euch, dass es völlig in Ordnung ist, den Kontakt zur Mutter abbrechen zu müssen.
Meine eigene Familie ist mir heilig
Fangen wir mal bei meinem engsten Kreis an: meine eigene, kleine Familie. Für meine Tochter und meinen Mann würde ich Alles tun. Wir halten zusammen, unterstützen uns gegenseitig, jedenfalls mein Mann und ich. Als Kind ist man ja häufig Nutznießer der Unterstützung, die man durch die Familie erfährt. Und das ist auch gut so. Dennoch vermittle ich meiner Tochter jetzt schon, dass man sich nicht Alles erlauben kann. Dass es Dinge gibt, die andere Menschen sehr traurig und wütend machen. Dass es einfach Dinge gibt, die man auf keinen Fall tun sollte. Ich finde das richtig. Familienbande sind kein Freifahrtschein für schlechtes Benehmen. Und es gibt Dinge, die man sich auch da nicht erlauben darf.
Den Kontakt zur Mutter abbrechen
Ich hatte häufig Diskussionen mit meinen Brüdern oder meiner Oma, weil ich den Kontakt zu meiner Mutter abgebrochen habe. Wer sagt, dass man nicht den Kontakt zur Mutter abbrechen darf? Wir haben eine schwierige Vorgeschichte, die ich an dieser Stelle aber nicht ausrollen möchte. Auf Wunsch meines mittlerweile leider verstorbenen Opas hin, bin ich vor etwa 5 Jahren einen Schritt auf meine Mutter zugegangen und hatte daraufhin wieder Kontakt zu ihr. Im Nachhinein war das vielleicht nicht die ideale Ausgangslage, um sich wieder näher zu kommen, aber mein Opa hat es sich so sehr gewünscht – es war der letzte Wunsch, den er mir gegenüber geäußert hat. Mein Opa hat immer Alles für seine Familie getan, Alles hingenommen. Familie war ihm heilig.
Nachdem es mit meiner Mutter und mir einige Zeit gut ging, ging es mir irgendwann immer schlechter. Ich habe an meine Mutter gedacht und mich geärgert. Mich aufgeregt. Fast permanent. Das hat mich wahnsinnig gemacht. Kurz gefasst: Als man mir (und meiner Familie) über viele Wochen hinweg eine Krebserkrankung vorlog und ich durch Zufall die Wahrheit erfuhr, war für mich der Drops gelutscht. Es gibt Dinge, die man nicht tut. So etwas gehört für mich ganz klar dazu! Man spielt nicht mit den Sorgen und Ängsten seiner Familie. Schluss aus!
Selbstschutz ist eine Pflicht
Meine Familie hat mich deshalb insgeheim häufig als stur und drastisch betitelt. Sie sei ja trotzdem unsere Mutter. Ich bin in der Hinsicht vielleicht zu konsequent, aber was mir nicht gut tut, kann nicht Teil meines Lebens sein. Ich bin dazu verpflichtet, auch auf mich selbst zu achten. Es kann nicht nur um die Befindlichkeiten meines Umfelds gehen. Wenn es mir wegen etwas schlecht geht, muss ich für mich entscheiden, wie ich damit umgehe. Und dazu gehörte, die Bande zu meiner Mutter zu kappen. Es war die beste Entscheidung für mich und ich habe sie keinen Tag bereut.
Damit geht auch einher, sich eine dicke Haut anzuschaffen. Als jemand, der solch konsequente Schritte geht, ist man häufig der Buhmann. Obwohl man selbst nur reagiert und gar kein Auslöser war, ist man am Ende immer der Schuldige. Denn man selbst ist dann ja Schuld, dass es der Person, von der man sich trennt, schlecht geht. Ganz egal, was vorher gewesen ist.
Die Sache mit dem Enkelkind
Es gibt eine Sache, die mir immer wichtig war: Egal, was zwischen meiner Mutter und mir ist, meine Tochter darf darunter nicht leiden. Ich habe es meiner Mutter von Anfang an offen gelassen (und auch klar kommuniziert), dass sie ihr Enkelkind jederzeit sehen kann. An der Stelle kann ich tatsächlich zurücktreten und Prioritäten setzen, denn ich weiß, dass meine Mutter trotz der Vorgeschichte keine schlechte Oma wäre. Ich habe nie ein schlechtes Wort über meine Mutter vor meiner Tochter geäußert. Aber ihr lest schon, ich habe “wäre” geschrieben. Obwohl es trotz der Entfernung immer wieder Möglichkeiten gegeben hat und gibt, werden alle seit Jahren rigoros ignoriert. Es wird kein Kontakt gesucht. Ach doch. Zum Geburtstag und zu Weihnachten kommt ein Paket mit Karte und Geschenk. So wie Großeltern das halt machen. NOT! Meine Tochter kennt ihre eigentliche Oma als solche nicht. Das finde ich schade, aber ich bin nicht in der Lage, das zu ändern.
Familienbande sind kein Freifahrtschein…
… für schlechtes Verhalten! Immer, wenn ich lese “Aber das ist doch Familie”, denke ich: Ja, und nun? Soll man Alles hinnehmen, weil es ein Familienmitglied ist? Ich denke nicht! Gerade, wenn es Familie ist, sollte man besonders aufeinander Acht geben und sich umeinander bemühen. Von allen Seiten aus. Immer, wenn ich von tollen Familiengeschichten lese, freue ich mich mit und hoffe, dass man sich des eigenen Glücks bewusst ist. Wichtig ist: Es ist keine Schande, wenn man keinen Kontakt zu einem Familienmitglied hat. Es kann genau das Richtige sein. Und sagt nicht ständig “Aber es ist doch Familie”. Das ist völlig bedeutungslos, wenn man sich nicht wie Familie verhält und sich der besonderen Pflicht, die damit einhergeht, nicht bewusst ist. Familie als solche ist, ohne Frage, besonders schützenswert. Dazu gehört, wertschätzend miteinander umzugehen und auch das Wissen, das viele vergessen: sich nicht Alles erlauben zu können.
Ich bin gespannt auf eure Geschichten: Könnt ihr euch vorstellen, keinen Kontakt zu einem Familienmitglied zu haben? Was müsste geschehen, dass ihr die Notbremse zieht und den Kontakt abbrecht? Habt ihr genau das schon durchgemacht und den Kontakt zur Mutter abbrechen müssen? Erzählt mir bitte davon! Vielleicht wollt ihr auch eure Geschichte hier auf dem Blog erzählen? Dann schreibt mir gerne eine Nachricht.
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Ganz schwieriges Thema. Ich sehe dieses Kontaktabbruch-Thema aus einer anderen Sicht. Meine Mutter hat bereits mit ungefähr 20 Jahren beschlossen, den Kontakt zu ihrem Vater abzubrechen (es lagen handfeste, nachvollziehbare Gründe vor). Sie ist inzwischen 63. Der Kontaktabbruch ist also über 40 Jahre her und logischerweise kenne ich dadurch meinen Opa überhaupt gar nicht. Alle schwören, ich hätte da “nichts verpasst”, aber es fühlt sich dennoch ungut an, dass einem ein ganzer Familienteil vorenthalten wird. Momentan frage ich mich manchmal, ob er eigentlich noch lebt. Wohl eher unwahrscheinlich (wir wissen aber auch nicht, ob man das mitbekäme, wenn…). Ich frage mich zudem, warum er eigentlich überhaupt gar kein Interesse an mir, also seinem Enkelkind, hatte. Nie. Von der Existenz weiß er aber durchaus.
Hinzu kommt in meiner Familie ein faktischer Kontaktabbruch zu allen Onkel und Tanten nach Streitigkeiten der älteren Generation (mit meinen Cousins und Cousinen habe ich Kontakt, quasi “geheim”, unsere Eltern finden das nicht wirklich gut, aber wir sind ja erwachsene Menschen). Zu meiner Halbschwester ist mit dem Tod unseres Vaters ebenfalls der Kontakt vollständig abgebrochen (der Grund ist mir völlig unbekannt, wir hatten aufgrund eines Alterunterschieds von 19 Jahren nie viel Kontakt, aber ich vermisse sie dennoch).
Kurz gesagt: ich finde Kontaktabbrüche schwierig und auch dramatisch, wenn das über zig Jahre bzw. für immer geht. Das ist, als seien die alle schon gestorben. Aber je nachdem was vorgefallen ist, ist es besser so und nur weil man Familie ist, muss man sich nicht alles gefallen lassen.
Liebe Amelie,
ich finde so etwas immer sehr traurig. Genau deshalb hatte ich mir gewünscht, dass meine Tochter ihre Oma kennenlernt und habe die Möglichkeit auch stets betont. In späteren Jahren hätte sie sich dann auf Basis ihrer eigenen Erfahrungen eine eigene Meinung bilden können. Ich frage mich auch häufig, was in Menschen vorgeht, die so gar kein Interesse an ihren Kindern/ Enkelkindern zeigen. Oder höchstens ein Pseudo-Interesse mit einer Karte zum Geburtstag/Weihnachten. Insgesamt ist es ein schwieriges Thema. Aber ich glaube, niemand, der mal den Kontakt zu einem Familienmitglied abgebrochen hat, tut das leichtfertigt. Leider sind die Leidtragenden dann häufig diejenigen, die damit gar nicht zu tun hatten
Liebe Grüße
Jenny
Dieser Beitrag hat mich wirklich berührt. Ich habe auch keinen Kontakt mehr zu meiner Mutter. Sie war auch nie wie eine richtige Mutter. Emotionale Unterstützung gab es nicht von ihr. Meistens nur Geschrei und Kritik. Als Kind wurde ich regelmäßig niedergemacht. Als ich 14 war hat mein Vater deshalb die Notbremse gezogen und sich scheiden lassen. Dann hatte ich für 6 Jahre keinen Kontakt zu meiner Mutter. Ich habe ihr dann eine „2. Chance“ gegeben, aber es war alles wie vorher, ich bekam Vorwürfe und mein Papa wurde als „Arschloch“ bezeichnet und sie hätte ja sowieso keine Ahnung was sie denn falsch gemacht hätte. Bei ihr waren immer alle anderen Schuld. Da ich nicht will, dass diese Person in die Nähe meiner Tochter kommt werde ich auch keinen Kontakt mehr suchen. Mittlerweile sind wieder 6 Jahre vergangen seit dem letzten Kontakt und mir wird jetzt erst langsam klar, dass das meiste was sie gesagt oder getan hat gar nicht meine Schuld war. Es wäre für meine seelische Gesundheit einfach verheerend sie wieder in mein Leben zu lassen.
Liebe Ena,
das kommt mir in so vielen Sätzen sehr bekannt vor. Ich bin der festen Überzeugung, dass man sich selbst (und seine Kinder) schützen muss, wenn es um Menschen geht, die einem nicht gut tun. Das hast du getan – meinen größten Respekt, denn sich von seiner Mutter zu lösen, ist kein leichter Schritt und trifft vielfach gesellschaftlich auf Unverständnis. Du hast Alles richtig gemacht. Ich wünsche dir nur das Beste!
Liebe Grüße
Jennifer
Weil ich gerade damit begonnen habe, mich (endlich) abzunabeln, war ich auf der Suche nach hilfreichen Artikeln. Ich bin mir nicht ganz sicher, wie ich meinem 5 jährigen Sohn erklären soll, dass ich mit einem großen Teil meiner Familie nichts mehr zu tun haben will. Auch wenn hier dazu nichts steht, ist es schon fast beruhigend, dass es nicht nur in meiner Familie so verstörend läuft. Und das will ich mir, und auch für den Schutz meines Sohnes, ersparen.
Ich kann nachvollziehen, aus welchen Gründen man so “drastisch” wird, denn ich habe viele viele viele Momente in den letzten Monaten gehabt, die mir förmlich entgegen gerufen haben “Lauf weg!”.
Von Lügen, Intrigen, über unberechtigte Vorwürfe, verdrehte Tatsachen bis hin zu körperlichen Anfeindungen… Alles dabei.
Was hat dass dann noch mit Familie zu tun? Wieso sollte ich diese Menschen Teil meines Lebens sein lassen? Mir geht es jetzt schon besser als vorher, weil ich weiß, ich löse mich von energievampiren, die mich und meinen Sonnenschein nicht in ihrem Leben verdient haben.
Danke für deinen Artikel. Du schützt dich und deine Lieben, DAS heißt Familie.
Konsequenz ist hier das einzige was vor weiteren Verletzungen schützt.
Liebe Isabell,
5-Jährige verstehen schon ganz viel. Als bei mir die Frage aufkam, habe ich meiner Tochter kindgerecht erklärt, dass man sich nicht mit jedem Menschen verstehen kann und muss. Das erschien ihr einleuchtend, kennt sie das doch aus der Kita, dass sie manche Kinde mag und andere halt nicht. In die Tiefe muss man in dem Alter natürlich nicht gehen.
Das eigene Wohl wird oft hinten angestellt, wenn es um Familienstreitigkeiten geht – zu Unrecht, wie ich finde. Gut, dass es dir jetzt schon besser als vorher geht! Warum soll man Menschen in sein Leben lassen, die einem nicht gut tun? Das würde man sonst doch auch nicht machen.
Ich wünsche dir alles erdenklich Gute und viel Sonnenschein in deinem Leben
Liebe Grüße
Jennifer
Danke für den ehrlichen Blogartikel. Ich bin ähnlich gestrickt wie du bzw. habe ich gelernt, mich abzugrenzen. Und ich finde es ehrlich gesagt besser, man zieht eine klare Grenze, als man dreht sich ständig im Kreis, fühlt sich schlecht, streitet, hat wieder Kontakt, bricht den wieder ab…und alles nur unter dem Deckmantel “Familie”.
Was deine Tochter betrifft: Sie kann immer noch selbst entscheiden (wenn sie älter ist) ob sie selbst Kontakt zu ihrer Oma sucht.
Familiengeschichten sind immer kompliziert und auch bei mir gibt es Verwandte und auch nahe Verwandte, mit denen ich keinen bzw. kaum Kontakt habe. Allerdings bin ich eher so, dass ich den Kontakt sehr oberflächlich laufen lasse und es mich absolut nicht berührt, wenn blöd geredet wird. Ich weiß wer ich bin, was ich vom Leben will…daher kann mir alles andere ziemlich egal sein. Ich denk mir meinen Teil und gut ist.
Liebe Michaela,
danke für dein Feedback. Ich freue mich, dass dir der Beitrag gefällt.
Ich bin ganz und gar bei dir! Ich bin gespannt, ob meine Tochter irgendwann den Kontakt sucht – ich würde dem auf jeden Fall nicht im Wege stehen. Gerade wenn sie älter werden, müssen sich die Kinder auch ein eigenes Bild machen dürfen.
Ich bin da auch eher pragmatisch, auch wenn es um Familie geht. Man kennt sich selbst ja und beginnt irgendwann auch, über Dinge drüberzustehen und nicht an sich ranzulassen.
Es tut gut von anderen zu hören, die den gleichen Weg gehen…
Ich habe ebenfalls keinen Kontakt mehr zu meiner Mutter. Wir hatten nie eine enge, liebevolle Beziehung und eigentlich schon öfter Kontaktabbrüche. Es kam immer der Punkt, wo sie mir vorwarf, mich nicht genug für sie zu interessieren/mich nicht genug um sie zu kümmern. Es kam für mich immer wie aus heiterem Himmel und machte mich sauer. Meine Mutter war schon immer unglücklich und ist, meiner Einschätzung nach, depressiv. Es ist einfach nie genug, was man tut. Ich empfand es immer so, als ob ich unter Generalverdacht stehe und es war nur eine Frage der Zeit bis ich wieder in Ungnade falle. Irgendwelche Hirngespinste wurden mir vorgeworfen (z.B. ich hätte ihr nicht gesagt, mein Sohn hatte die Führerscheinprüfung geschafft). Dann wurde geschwiegen und beleidigt getan. Genau dieses Anschweigen und beleidigt gucken haben in mir das letzte Mal das Gefühl ausgelöst, ich kann und werde mich dem nicht mehr aussetzen. Auch wurde mir endgültig klar, dass es wohl immer so bleiben wird. Das hat mich veranlasst mich einfach nicht mehr zu melden. Das “nicht hinterher rennen” zeigte dann wieder kein Interesse meinerseits und bestätigte sie wohl wieder. Das übliche Spiel halt. Irgendwann später habe ich mir einiges von der Seele geredet, es aufgenommen und ihr geschickt. Einfach meine Sicht der Dinge. Das hat gut getan, denn all das hätte ich ihr niemals im Gespräch sagen können. Reaktion gab es keine, darum ging es mir auch nicht. Es ist/war schwer: Schuldgefühle und das Gefühl, ich hätte was falsch gemacht, nagen mal mehr mal weniger an mir. Mit Hilfe der Zeit, darüber sprechen und einiger Lektüre (z.B. “Mütter, die nicht lieben”) wird es immer besser.
Ich wünsche meiner Mutter alles Liebe, dafür muss ich nicht mit ihr im Kontakt sein.
Ich bin jetzt voll und ganz für mich da! Ich kann mich einfach nicht mehr verbiegen, nicht mal nur ein bisschen…
Liebe Agnes,
tolle Worte und so viel Wahrheit darin!
Es ist gut, dass du dir das alles nochmal von der Seele geredet hast, bevor du den Kontakt abgebrochen hast. So musst du dich nicht länger damit belasten und deine Mutter weiß, woran sie ist.
Danke für den Lektüretipp, das werde ich mir mal anschauen!
Liebe Grüße und alles Gute für dich – sei ab sofort immer voll und ganz für dich da!
Jennifer
Hallo Agnes,
ich kann das sehr gut nachvollziehen. Meine Mutter ist depressiv. Ich musste schon als Teenager viele Aufgaben übernehmen, mich um meinen kleinen Bruder und um meine Mutter kümmern. Dies war vor allem für die Seele anstrengend. Als ich 17 war ist meine Mutter in Ihre alte Heimat gezogen. Jetzt bin ich Anfang 30 und Sie wirft mir in regelmäßigen Abständen per Brief vor, dass ich mich zurück ziehe und mich nicht melden würde. Meiner Ansicht nach erwartet Sie dies immer nur von mir und macht anders herum kaum einen Schritt auf mich zu.
Ich muss dazu sagen, dass wir knapp 5 Autostunden entfernt wohnen. Auch mein Vater und die Eltern meines Mannes wohnen 4 Autostunden entfernt. Trotzdem erwartet Sie, dass wir sie mindestens 3 mal im Jahr, am besten für mehrere Tage besuchen kommen. Sie versteht nicht, dass wir auch ein eigenes Leben haben und unsere Urlaube im Ausland verbringen wollen.
Ihre Depression hat mich lange abgehalten meine Meinung zu sagen oder mit Ihr über meine Probleme zu reden. ich hatte immer das Gefühl, dass Sie schon genug Probleme hat. Wenn ich Sätze lese wie, jede Frau freut sich wenn Sie schwanger/verlobt ist und das natürlich als erstes mit der Mutter teilen möchte, denke ich nur – “nein, bei mir ist das nicht so”. Sie versteht einfach nicht, dass die Depression auch die Verbindung zwischen Familienangehörigen stören kann. Ich mache ihr da keinen Vorwurf, niemand sucht sich so eine Krankheit aus, aber ich wünsche mir auch für die Familienangehörigen Verständnis.
In den letzten Jahren ist die Depression (aus meiner Sicht) wieder schlimmer geworden, auch die physische Gesundheit leidet bei ihr darunter. Nun hatte ich mal wieder einen “netten” Brief im Briefkasten. Diesmal hat es mich zum ersten mal auch körperlich erwischt (Bauchschmerzen, kann nicht schlafen, Appetitlosigkeit). Ich habe ihr einen Brief geschrieben, wo ich aus meiner Sicht schlüssig argumentiert habe, warum wir nicht so viel Zeit miteinander verbingen können wie das “ALLE anderen Familien” machen (die Familien Ihrer Freunde, Kollegen etc. wohnen meistens aber aucht nur eine Stunde Autofahrt von einandern entfernt). Das Ende vom Lied war, dass Sie gar kein Einsehen hatte. Ich bin die Böse, ich ziehe mich zurück, Sie verlangt doch wohl nicht zu viel… Gestern habe ich ihr geschrieben, dass ich Abstand brauche. Heute Morgen kam prompt ein neuer Vorwurf per Whats App. Ich frage mich was Sie damit bezwecken möchte? Denkt sie, dass ich nach so einem Brief, Gespräch etc. zum nächsten Geburstag, Ostern, Weihnachten freundlich lächeln auf ihrer Couch sitze und nur darauf warte, dass es ihr mal wieder schlechter geht und Sie alle Vorwürfe erneut rauskramen kann? Ich weiß noch nicht ob es auf einen vollständigen Kontaktabbruch heraus läuft, aber aktuell sehe ich kaum eine andere Möglichkeit, damit es mir selber besser geht. Es ist “schön” (natürlich würde ich jedem von Euch eine andere Bindung zur Mutter wünschen) zu lesen, dass auch andere diese Probleme haben.
Liebe Jennifer,
auch ich habe vor 1 1/2 Jahren den Kontakt zu meiner Mutter abgebrochen – diesmal endgültig nach zwei vorherigen “Warnschüssen” in Form eines 6monatigen u. später eines 2jährigen Kontaktabbruchs. Das “Besondere”: Ich bin inzwischen 63 u. meine Mutter 85..
Natürlich bin ich in den Augen der Nachbarn u. Bekannten meiner Mutter die Böse, die nun im Alter ihre arme Mutter im Stich lässt. Aber die kennen ja auch nur die Fassade. Meine beiden erwachsenen Töchter u. ich haben irgendwann einen Artikel über Narzissten gelesen u. hatten das Gefühl, die schreiben über meine Mutter.
Nach dem letzten u. endgültigen Kontaktabbruch ging es mir nicht gut, da mich trotz allem ein schlechtes Gewissen plagte. Deshalb suchte ich Rat bei einer Psychologin. Nachdem ich ihr nur einige Situationen zwischen meiner Mutter u. mir geschildert hatte, sagte sie, was meine Mutter macht, sei fortgesetzter emotionaler Missbrauch, der fast etwas Sadistisches hätte. Sie riet mir, Abstand zu nehmen.
Seitdem bin ich von einer Last befreit. Leider leben wir im selben Ort (ich ziehe auch nicht weg, das ist meine Heimat u. eine meiner Töchter m. Enkel lebt hier) u. oft muss ich taktieren, um ihr nicht zu begegnen. Von Einigen werde ich auch nicht mehr gegrüßt, aber ich kann es ihnen nicht übelnehmen, da meine Mutter eine Meisterin der Tarnung u. bei vielen Leuten beliebt ist bzw. jetzt im Alter als hilfsbedürftige, arme, verlassene Frau gesehen wird, die mit einer egoistischen, gefühllosen Tochter gestraft ist… Schlimm finde ich, dass meine Mutter sich keiner Schuld bewusst ist.
Das Positive an der ganzen Sache ist, dass ich aus ihren Fehlern gelernt u. zu meinen Töchtern ein wirklich gutes Verhältnis habe.
Liebe Lissy,
ich kann das so gut verstehen! Das hat ganz klare Parallelen zum Verhalten meiner Mutter – auch sie kann sich Alles so drehen, dass sie immer als “Opfer” dasteht. Mittlerweile lasse ich das nicht mehr an mich heran, aber anfangs war es echt hart, wenn man von allen Seiten (Geschwister, Großeltern) eingeredet bekommen hat, man sei so ein schlechter Mensch, die Mutter würde ja so leiden. Das tut sie heute auch noch, aber ich verbitte mir da mittlerweile jede Einmischung von außen.
Genau wie du hat mir das Verhalten aber geholfen, mich bewusst von einem Verhalten, wie es meine Mutter zeigt, zu distanzieren und ihre Fehler nicht ebenso zu machen. Ich freue mich für dich, dass du so ein tolles Verhältnis zu deinen Töchtern hast! Halte daran fest und lass dich von dem Reden der Anderen nicht runterziehen. Du hast es genau richtig gemacht.
Liebe Grüße aus Berlin
Jennifer
Es ist spät und ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung mehr wie ich hier gelandet bin (doch ich versuchte Antworten auf die vielen Fragen zu finden mit denen man mich zurück gelassen hat ) .Vor 16 Tagen hatte ich Geburtstag. Einen Tag den ich eigentlich fürchtete. Ich hatte eine Nachricht von meinem Vater erwartet, doch wiedererwartens keine bekommen. Die letzten Jahre hatte er es sich nicht nehmen lassen mich über ein Medium zu kontaktieren auf dem ich ihn noch nicht geblockt hatte. Wie ich mich bei seinen Kontaktversuchen fühle ist ihm gänzlich egal. Das ich ihm schreibe das er mir weh tut, was für Auswirkungen sein Handeln für mich bedeutet ignoriert oder er. Ich habe seit zwei Jahren keinen richtigen Kontakt mehr mit meinem Vater. Wirkt vielleicht nicht viel, meine Tante hat seit über 20 Jahren keinen Kontakt zu ihren Eltern, aber im Anbetracht dessen das ich erst kürzlich 15 geworden bin mach das schon 13,3 Prozent meines gesamten Lebens aus. Meine Eltern haben sich getrennt als ich zwei Jahre alt war. Ab da habe ich meinen Vater nur noch in den Ferien getroffen. Ein Glück für mich und meinen Bruder. Ich weiß nicht ob ich noch leben würde wäre es anders. Mein Vater legt hoch narzisstische Verhaltensweisen an den Tag. Ob er wirklich ein Narzist ist weiß ich nicht, um dies zu beweisen müsste er psychologisch begutachtet werden. Mir steht es nicht zu eine solche Aussage zu treffen. Der Fakt das Kinder aus ihren Familien genommen werden ,die die gleiche Art an emotionalem Missbrauch und Vernachlässigung durchlebt haben, wie ich durch meinen Vater beruhigt mich. Es zeigt das ich theoretich durchaus ein Recht darauf habe keinen Kontakt mit meinem Vater zu pflegen. Doch leider ist dieses Recht nur theoretisch, denn es wird durch Rechte die mein Vater an mir besitzt wiederlegt. Viele brechen den Kontakt zu ihren Eltern in absoluten Tiefpunkten der Beziehung ab, dann wenn es emotional nicht mehr geht. Bei mir war es nich so. Ich war emotional schon lange am Ende, nicht nur wegen ihm. Es hätte für immer so weiter gehen können. Mir war es eh egal, sollte man mit mir doch machen was man will. Irgendwann wäre aus dem Selbstmordversuch wahrscheinlich nicht nur ein Versuch geworden. Doch mir machten meine MItmenschen ein Strich durch die Rechnung. Ich hatte schon immer ein Problem mit Schuld, habe es immer noch. Ich fühlte mich schuldig. Dafür das ich den Erwartungen meiner Lehrer nicht entsprach,das ich meine Familie enttäuschte und vor allem dafür das ich nicht der war für den ich mich ausgab. Es war spät abends und ich saß heulend in meinem Bett als ich die Nachricht absendete. Ein ellenlanger Text darüber wie ich mich fühle, was seine Worte mit mir machen und was sich ändern sollte. Seine Antwort war erniedrigend. Das es nicht stimmen würde, das meine Mutter mich instrumentalisiere und meine Wahrnehmung generell ja komplett gestört sei. Meiner Mutter erzählte ich erst einen Tag später davon. Davon das ich nicht mehr zu ihm fahren werde und grobe Informationen zu den Vorfällen bei ihm. Danach schleppte sie mich zu einer Beratungsstelle. Dort offenbarte man mir das ich keinerlei Recht an mir selber habe. Mein Vater habe Umgangsrecht. Punkt. Aus. Das ich trotzdem die Besuche verweigerte verstand sie. Es änderte trotz dem nichts daran das er Umgangsrecht hat. Das er bestimmen kann auf welche Schule ich gehe, ob ich außerhalb des Landes reisen darf. Am schlimmsten empfand ich die Vorstellung das er auf sein Umgangsrecht besteht. Ich könne wie jetzt auch einfach nicht hinfahren, doch ich müsste mich darauf gefasst machen von der Polizei abgeholt zu werden und zu ihm gebracht zu werden. Doch schlimmer wäre er könnte mich überall persönlich abholen egal wo ich bin. Ich müsse hoffen das er einfach nichts macht. Natürlich malte ich mir Horrorszenarien aus und entwarf Pläne wie ich sie überstehen könne. Am schlimmsten war die Schule. Die Schule war der am strategisch fatalste Ort an dem ich mich aufhalten konnte. Also entwickelte ich auch für die Schule Pläne. Zum Glück durften wir uns die Sitzplätze aussuchen. Ich nahm die Ecke. Meine Ecke . Ich werde immer noch panisch, wenn ich von dort weggesetzt werde. Der Platz bot mir die meiste Sicherheit. Er war am weitesten von der Tür entfernt. Es konnte niemand hinter mir sein und ich war direkt neben dem Fenster. Das Fenster war das beste. Ich konnte Ausschau nach dem Auto meines Vaters und der Polizei halten. Und wenn es hart auf hart komme könne ich immer noch springen. Es ist nie hart auf hart gekommen. Jetzt würde ich nicht mehr springen, dafür ist er mir nicht genug wert. Vor etwa zwei Monaten hat er mich wieder kontaktiert. Wollte das ich alles erkläre. Hab ich gemacht, hätte ich nicht machen müssen, doch er hat es nicht verstanden. Ich hab ihm gesagt das er mich in Ruhe lassen soll. Hab ich davor auch schon hunderte Male gesagt. Doch diesmal hat er auf mich gehört. Er lässt mich in Ruhe. Ich bin froh darüber. Ich habe gewonnen. Doch es hat sich nicht nur so angefühlt als ob ich gewonnen hätte. Ich habe auch verloren. Ich habe meinen Vater verloren. Er war kein guter Vater um es milde aus zu drücken, doch er war der einzige Vater den ich hatte.
Entschuldigt das eventuell etwas unverständliche gefasel. Es ist sehr spät oder sehr früh je nach dem wie man es nimmt. Ich habe mal wieder viel zu viel geschrieben und viel zu viel gedacht. Ich sollte schlafen gehen.
Liebe Grüße Lili
Liebe Lili,
das hört sich ganz furchtbar an Ich kenne mich mit der entsprechenden Gesetzeslage nicht aus, aber mir fehlt jegliches Verständnis dafür, ein Kind gegen seinen Willen zum Umgang mit einem Elternteil zu zwingen. Natürlich muss man sichergehen, dass keine Beeinflussung vorliegt, aber so?
Ich hatte selbst jahrelang keinen Kontakt zu meinem Vater, nachdem meine Eltern sich getrennt hatten. Ich hatte aber das Glück, dass mein Vater den Wunsch auf Kontaktabbruch nach einigem Hadern akzeptiert und mir die Zeit gelassen hat, die ich gebraucht habe. Heute sind die alten Wunden längst verheilt und wir pflegen einen guten Kontakt zueinander, aber mein Vater ist auch kein Narzisst.
Ich wünsche dir alles erdenklich Gute. Nimm dir die Zeit, um das Geschehene zu verarbeiten.
Liebe Grüße
Jennifer
Ich sehe die “Schuld”wie in meinem Fall nicht immer bei der Mutter.Ich habe 2 erwachsene Söhne.Die dazugehörigen Frauen führen das Zepter. Ich wollte dazu gehören.Keine Chance.Ich passte nicht in ihr Bild.Auch sowas gibst.Das Ende:Kontaktabbruch über Waths App.
Meine Söhne sind den Frauen anscheinend hörig.Alles ist dort besser als es bei mir was.Beide stehen mit beiden Beinen im Leben.Habe ich da als Mutter versagt?Ich glaub nicht.Mein Enkelkind vermisse ich sehr,aber ich kann es nicht ändern.
Hallo Sonnenlicht,
die “Schuld” ist keineswegs immer bei einer Partei zu suchen, da hast du Recht. Dass dir ohne Grund der Kontakt zu deinen Kindern und deinem Enkelkind verwehrt wird, tut mir sehr Leid. Auf keinen Fall solltest du von einem Versagen als Mutter sprechen – manchmal passieren einfach Dinge, gegen die man nichts tun kann. In diesem Fall scheint die Ursache ja nicht wirklich geklärt zu sein. Ich wünsche dir, dass sich das Verhältnis zu deinen Söhnen beizeiten wieder entspannt und du wieder Kontakt zu deinem Enkelkind haben kannst.
Alles Liebe für dich!
Liebe Grüße
Jennifer
Toller Artikel! Danke für deine ehrlichen Worte! Die einem kraft schenken und nach vorne blicken lassen.. Bei mir war es tatsächlich andersrum, meine Mutter hat den Kontakt zu mir gekappt. Ein Tag nach der Hochzeit, hat sie mir alles an den Kopf geworfen was ihrer Meinung nach an dem Tag alles nicht in Ordnung war. Das sie in einem sehr hellen, langen Kleid auf meiner Hochzeit war, naja darüber hab ich mich auch nicht geäußert. Und das ganze hat sie mir nicht persönlich sondern per Messenger in den Flitterwochen um die Ohren gehauen. Ich muss dazu sagen, wir waren eigentlich ein gutes Team und ich hab immer an sie geglaubt und auch in Schutz genommen. Jetzt ist es mir ehrlich gesagt ein großes Rätsel, ob bei allem wo ich sie in Schutz genommen hatte, ich nur eine rosa-Mama-Tochter- Brille auf hatte. Heute bin ich schwanger und ich würde es ihr trotz allem gern sagen. Aber sie möchte keinen Kontakt.
Liebe Mischa,
das tut mir sehr Leid! Ich persönlich finde einen Kontaktabbruch, ohne den Anderen über die Gründe aufzuklären, ganz furchtbar. Das würde ich auch nie tun – umso mehr tut es mir für dich Leid, dass du abgeblockt wirst. Ich kann dir nur Mut machen und dir sagen, dass es besser wird! Man wird sicherlich immer wieder Momente erleben, in denen man wehmütig wird, aber sie werden weniger. Ich wünsche dir, dass du deine Energie in deine kleine Familie stecken kannst. Du tust dir gerade keinen Gefallen, ihr hinterherzulaufen, wenn sie keinen Kontakt will. Irgendwann wird vielleicht der Tag kommen, an dem sie einen Schritt auf dich zugeht. Und wenn nicht, hast du sicherlich immer noch ganz viele tolle Menschen in deinem Leben, die den Weg gerne mit dir gemeinsam gehen.
Ich wünsche dir alles Liebe!
Liebe Grüße
Jennifer