Heute ist Teaching Tuesday und ich möchte etwas verbloggen, das ich schon lange vor mich herschiebe. Mit dem Down Syndrom habe ich im Alltag wenig Erfahrungen gemacht, aber das Thema Inklusion steht für mich an der Tagesordnung. Die Kleinstadtlöwenmama hat zum Welt-Down-Syndrom-Tag am 21.03.2018 zur Blogparade Begegnungen aufgerufen und gerade noch pünktlich schaffe ich es nun, mitzumachen Im Lehramtsstudium wurde ich eher wenig mit dem Thema Inklusion konfrontiert, wobei ich hoffe, dass das heute anders ist. Natürlich wurde irgendwann erklärt, was Inklusion bedeutet und man erfuhr auch, dass Inklusion verpflichtend ist für uns. Ich wurde aber schnell desillusioniert. Passend zum Thema möchte ich dir heute eine Geschichte aus meinem Studium erzählen, die mich nachhaltig geprägt hat.

Das erste Mal Schule

Innerhalb der ersten vier Semester stand bei mir das berufsfelderschließende Praktikum an. Die erste Berührung mit der Schule. Ich wurde einer Schule in Neukölln zugewiesen und durfte dort vier Wochen lang hospitieren, mir also Unterricht und die Schüler anschauen. Ich weiß noch ganz genau wie ich mich fühlte: Aufgeregt, unsicher und voller Zweifel. Würde ich das können? Jeden Tag vor Schülern stehen und sie unterrichten? Als Außenstehender glaubt man gar nicht, was das für eine Herausforderung ist. 30 und mehr Augenpaare, die einen anstarren und jedes kleinste Detail wahrnehmen. Nur ein minimal anderer Farbton beim Friseurbesuch? Du trägst heute deine neue Bluse? Sei dir sicher, dass es deine Schüler merken.

Die vier Wochen vergingen wie im Flug und ich nahm so viele neue Eindrücke mit. Ein Eindruck ist mir aber geblieben. Er war so nachhaltig, dass ich diesen Aspekt ausführlich in meinem Bericht thematisierte und vor allem kritisierte. Kam bei der Schule nicht so gut an, aber mir war es wichtig, das auszusprechen, was mich bewegt hatte: So wie Inklusion an vielen Berliner Schulen umgesetzt wird, wird das Konzept ad absurdum geführt.

 

Was Inklusion bedeutet

Inklusion und Integration

Inklusion und Integration werden oft zur Beschreibung von Minderheiten-Positionen in der Gesellschaft verwendet. Ich mag zur näheren Betrachtung gerne die typischen Bilder, von denen ich dir hier eines zur Verfügung stelle. Diese sind eigentlich selbsterklärend: Während im Konzept der Exklusion Minderheiten ausgeschlossen wurden, werden sie im Zuge der Separation nicht gänzlich ausgeschlossen, aber abgesondert betrachtet. Während für das Konzept der Integration Minderheiten in eine große Gruppe integriert werden und ein gemeinsames Lernen möglich ist, setzt die Inklusion, in der wir heute angelangt sind, auf ein Lernen von vielen Individuen, die gemeinsam und voneinander lernen können. Hört sich in der Theorie doch gut an?

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Was ich als Inklusion erlebte

Wir leben Inklusion! So warb die Schule nach außen hin für sich selbst. Ich war beeindruckt und vor allem neugierig, wie das aus meiner Sicht kompliziert umzusetzende Konzept in der Realität funktionierte. Ich saß also im Unterricht und wusste, dass es etwa vier Schüler mit einem Förderstatus Lernen gab. Mathematik. Mein Fach und leider oft auch eines Fächer von Schülern, die entweder geliebt oder gehasst werden. Wie würde Inklusion funktionieren? Alle Schüler in einem Raum unterrichten und alle dort abholen und fördern, wo sie es nötig haben. Differenzierte Leistungsniveaus – ganz selbstverständlich. Oder doch nicht?

Zum Glück gibt es ja Doppelsteckungen. Das bedeutet in der Schule, dass einer Klasse zwei Lehrkräfte zugeordnet sind. Oft kann man sich das als Schule nicht leisten, aber es ist dennoch ein Phänomen, das im Zuge der Inklusion Einzug gefunden hat, um allen Schülern gerecht werden zu können. Die Klasse, in der ich in Mathematik hospitierte, hatte nicht immer das Privileg der Doppelsteckung, aber in etwa einmal wöchentlich. Was beobachtete ich also? Wenn nur eine Lehrkraft anwesend war, beschäftigte sich der Großteil der Klasse mit dem aktuellen Unterrichtsstoff und diejenigen, denen das zu schwer war, bekamen gesonderte Aufgaben. Nun gut, nicht Ideal Standard.

Aber ich kann noch einen draufsetzen: Sobald zwei Lehrkräfte anwesend waren, wurde die Gruppe geteilt: Die Schüler ohne Förderstatus blieben mit einem Lehrer im Klassenraum, die jenigen mit Förderstatus wechselten mit der zweiten Lehrkraft den Raum und wurden gesondert unterrichtet. Auf einem deutlich niedrigeren Niveau und abgetrennt von dem Rest der Klasse. Wenn DAS keine Inklusion ist?

Theorie versus Realität

Die Lehrkräfte reflektierten gar nicht ernsthaft, dass das natürlich keine Inklusion ist. Es ließe sich einfach nicht anders lösen. Die Schüler mit Förderschwerpunkt erhielten am Ende der Unterrichtsreihe das Angebot, Klassenarbeiten auf geringerem Anforderungsniveau zu schreiben. Weil sie sich schämten – ich verstehe gar nicht, wie es dazu kommen konnte *ironieoff* – lehnten die meisten das Angebot ab, schrieben die natürlich deutlich zu schweren Klassenarbeiten mit und standen fast alle 5.

Ich war wie vor den Kopf gestoßen. DAS sollte das viel gelobte Konzept der Inklusion nun sein? Die armen Schüler. Dies war in meinem Studium eine Erfahrung, die mich nachhaltig beeinflusst hat. Noch heute fällt mir das Erlebte sofort wieder ein, wenn ich an Inklusion denke. Dabei ist das Praktikum mittlerweile etwas mehr als 6 Jahre her. 6 Jahre, in denen sich hoffentlich viel getan hat. Was besonders wichtig ist: Inklusion und Sonderpädagogik muss ein Inhalt des Lehramtsstudiums werden. Ich habe in einem einzigen Modul im Bachelor-Studiengang in einer Vorlesung etwas über das Thema gehört. Das war’s.

Inklusion muss normal werden

Wie sollen Lehrer ohne solch ein wichtiges Vorwissen ihren Beruf gewissenhaft ausüben können? Viele Lehrer haben Angst vor der Inklusion, die ja schon längst Alltag an den Schulen ist. Aber Inklusion kann nicht von heute auf morgen umgesetzt werden, sondern benötigt Vorbereitung. Und nicht nur Vorbereitung im Sinne einer Doppelsteckung, die durchaus eine Entlastung sein kann, sondern auch im Sinne einer verpflichtenden thematischen Vorbereitung der Lehrkräfte.

Gott sei Dank ist die Situation nicht überall so dramatisch wie ich es in meinem ersten Praktikum erlebt habe. Dennoch denke ich, dass viele Schulen beim Thema Inklusion noch großen Nachholbedarf haben. Als das Thema bei einer unserer letzten Gesamtkonferenzen aufkam, konnte man die Angst fast schon riechen. „Ich und inklusiv unterrichten? Nie im Leben.“ „Da mache ich nicht mit, soweit kommt es noch.“ „Wie soll das gehen?“ Alles Reaktionen, die ich irgendwo aufschnappte und die, meiner Ansicht nach, vor allem durch Unwissenheit und die geringe Information hervorgerufen wurden.

Lehrern muss die Angst vor dem Unbekannten genommen werden, indem aufgeklärt wird. Pflichtfortbildungen könnten Lehrkräften, wie mir, helfen, die mit der Thematik noch keine Berührungspunkte hatten. Sie könnten Handlungssicherheit geben. Einen Handlungsrahmen vorgeben. Je besser das Personal an Schulen informiert wird desto eher kann Inklusion in der Gesellschaft normal werden. Aber bis dahin ist es noch ein großer Schritt, zu gehen.

Wie sind deine Erfahrungen mit Inklusion? Wird dem Thema im Lehramtsstudium mittlerweile mehr Bedeutung zugesprochen? Ich freue mich über dein Erfahrungen mit Inklusion in der Schule.

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